Dass die Tätigkeit im Operationssaal manchmal auch eine Herausforderung für den Geruchssinn darstellt, weiß jeder, der schon einmal an einer Operation teilgenommen hat, in der massiv Laser- oder elektrochirurgische Verfahren eingesetzt werden. Häufig kann eine starke Rauchgasentwicklung nicht nur eine intensive Geruchsentwicklung, sondern auch Übelkeit oder Kopfschmerzen hervorrufen, da die Gase eingeatmet und über die Schleimhäute aufgenommen werden. (Internationale Vereinigung für nationale Sicherheit (2011). Chirurgische Rauchgase: Gefährdungen und Schutzmaßnahmen. Arbeitspapier für Arbeitsschutzexperten in betroffenen gesundheitsdienstlichen Einrichtungen, S.14)
Dass aber Pyrolyseprodukte (chirurgische Rauchgase) nicht nur Aerosole, sondern auch biologische gesundheitsschädliche Partikel enthalten können, ist nicht unbedingt allen Anwesenden an einer Operation bekannt.
Neben dem Hauptbestandteil „Wasserdampf“, der wie ein Transportmedium für die weiteren partikulären Inhaltsstoffe wirkt, enthält chirurgischer Rauch organische und anorganische Stoffe wie z.B. Kohlenwasserstoffe, Schwefel-, Stickoxide oder Ammoniak und biologische Substanzen. Es kann sich hierbei um intakte Zellen, Zellfragmente, Blutzellen und um virale DNA-Fragmente handeln. (Ebenda, S. 9)
Die Art der Belastung mit Mikroorganismen hängt natürlich zu einem großen Teil von der Art der durchgeführten Eingriffe ab. Die größte Aufmerksamkeit bei Untersuchungen von Rauchgasen wird dabei dem Humanen Papilloma Virus (HPV) entgegengebracht, der der Auslöser einiger Krebserkrankungen und Warzenarten ist und diese dann oft mittels Laser abgetragen werden. Schon seit den 90er Jahren sind mehrere Fälle bekannt geworden, in denen beim Pyrolyseexponiertem OP- Personal Larynxpapillome festgestellt wurden. Der amerikanische Mediziner Hallmo beschrieb 1991 den Fall eines Chirurgen, der regelmäßig und über längere Zeit den Laserrauchgasen beim Abtragen von anogenitalen Warzen exponiert war und ein Kehlkopfpapillom entwickelte. Auch bei einer Krankenschwester, die jahrelang bei zahlreichen Behandlungen von Papillomatosen assistiert hatte, wurde eine Larynxpapillomatose diagnostiziert und als Berufskrankheit anerkannt. (Calero, L. et al. (2003). Larynxpapillomatose- erstmalige Anerkennung als Berufskrankheit bei einer OP- Schwester. Larnygo-Rhino- Oto, S. 2)
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und die Internationale Vereinigung für nationale Sicherheit haben nun zu diesem Thema im Jahre 2011 aktuelle Untersuchungsergebnisse und Empfehlungen veröffentlicht. Hierbei wurden die Einflussgrößen auf die Rauchbelastung ermittelt: darunter zählen u.a. die Art der medizinischen Behandlung, der Umfang des Eingriffs sowie die betroffene Körperstelle bzw. das betroffene Gewebe. Laut Studienergebnissen werden bei der Behandlung von Fett- und Lebergewebe die größten Emissionen hervorgerufen. Am gefährdeten sind die Personen, die sich unmittelbar an der Emissionsstelle, dem OP- Feld, befinden, d.h. in der Regel der Operateur und die instrumentierende Pflegekraft. (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (2011). Chirurgische Rauchgase, S. 17)
Die unmittelbare Absaugung der chirurgischen Rauchgase an der Entstehungsstelle ist die effektivste Maßnahme zur Vermeidung einer Exposition des OP- Personals. Dieses kann beispielsweise mittels Absaugvorrichtungen an den Handstücken von Lasern oder mobilen Absaugeinrichtungen durchgeführt werden. Auch eine gut funktionierende Raumlufttechnische Anlage verdünnt die freigesetzten Gefahrstoffe.
Als persönliche Schutzmaßnahmen für die unmittelbar an der Emissionsstelle beteiligten Personen (siehe oben) werden ein geeigneter Atemschutz und eine Schutzbrille empfohlen. Hierbei bietet der normale OP- Mundschutz gegenüber gas- oder dampfförmigen Substanzen keinen adäquaten Schutz. Nur Masken, die mindestens der Schutzklasse FFP2 entsprechen, schützen vor partikulären Komponenten.
In den meisten Krankenhäusern werden daher grundsätzlich bei Eingriffen, die eine Expositionsgefahr mit dem Humanem Papilloma Virus[1] darstellen, für das OP- Personal diese Schutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt und die Empfehlungen in den klinikinternen, hygienischen Richtlinien verankert.
Unbegreiflich daher die Aussagen einiger Schüler, die Schutzmasken wären zwar im OP vorhanden, würden aber nie benutzt werden. Eine Weitergabe dieser Info in den Schulen wäre also äußerst empfehlenswert!
Die beiden aktuellen wissenschaftlichen Ausarbeitungen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und der Internationalen Vereinigung für nationale Sicherheit können im Internet als pdf- Dateien abgerufen werden unter
http://www.issa.int/content/download/144557/2899514/…/4-Rauchgase.pdf
und
http://www.aerztekammer-bw.de/10aerzte/20fortbildung/20praxis/85arbeitsmedizin/1101.pdf.
[1] Hierzu zählen z.B. die Abtragung von Ano-Genitalwarzen / Condylomata, Larynxpapillomatose und Eingriffe beim Gebärmutterhalskrebs; für die Entstehung dieser Erkrankungen sind die Hochrisiko- Typen der Papillomaviren verantwortlich, zu ihnen zählen die Typen HPV16 und HPV18. Die Übertragungswege: ungeschützter Geschlechtsverkehr, Aufnahme über die Schleimhäute (auch durch Einatmen von Rauchgasen), perinatal (während der Geburtsphase)
Literaturverzeichnis:
Calero, L. et al. Larynxpapillomatose- erstmalige Anerkennung als Berufskrankheit bei einer OP- Schwester. Larnygo-Rhino- Oto. Stuttgart: Thieme Verlag. 2003
Eickmann, U./ Falcy, M./ Fokuhl, I./ Rüegger, M./ Bloch, M. (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege). Chirurgische Rauchgase. Gefährdungen und Schutzmaßnahmen. Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed.46, 01, 2011
Internationale Vereinigung für nationale Sicherheit. Chirurgische Rauchgase:Gefährdungen und Schutzmaßnahmen. Arbeitspapier für Arbeitsschutzexperten in betroffenen gesundheitsdienstlichen Einrichtungen. Herausgeber: Internationale Sektion der IVSS für die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten im Gesundheitswesen. Hamburg. 2011