Generationengerechte Führung

Dass mehrere verschiedene Generationen in einer Organisation tätig und vertreten sind, das hat es schon zu jeder Zeit gegeben. Die besondere Notwendigkeit einer generationengerechten Führung ist jedoch in heutiger Zeit in besonderem Maße gegeben. Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich in einem demografischen Wandel. Der Anteil älterer Menschen steigt gegenüber dem Anteil Jüngerer, da in Deutschland die Lebenserwartung steigt und gleichzeitig die Sterberate höher als die Geburtenrate ist. Hieraus resultiert auch ein zu erwartender Mangel an hochqualifizierten Fachkräften, den High Potentials. Während bis vor kurzem noch ein Unternehmen aus den zahlreichen Bewerbungen den richtigen Kandidaten wählen konnte, so wird es immer mehr eine Herausforderung werden überhaupt fähige Bewerber zu gewinnen. Gerade in Schlüssel- und Engpassfunktionen hat sowohl der Arbeitgeber die Wahl des einzustellenden qualifizierten Bewerbers als auch der jeweilige Kandidat selbst, welches der mehreren Angebote er nun annehmen möchte. In der Pflege bzw. in Gesundheitsberufen generell, herrscht ebenfalls ein Fachkräftemangel. Eine Führungskraft sollte Basics der generationengerechten Führung kennen, um adaptive Massnahmen der Personalentwicklung umsetzen zu können.

Der entstehende Wettbewerbsfaktor Personal wird auch als „War for Talents“ bezeichnet, in dem sich Unternehmen nicht mehr nur als Anbieter, sondern auch als Nachfrager verstehen müssen (Fischer, 2017; Ruthus, 2014, S.2).

Eine weitere Herausforderung bildet die Generation Y, die aus den in den Jahren 1981- 2000 Geborenen besteht. Diese Generation wird den heutigen Arbeitsmarkt mittel- bis langfristig dominieren. Zudem werden in ca. 5 Jahren die ersten Vertreter der Generation Y in Führungspositionen sein. Da diese Generation in einem relativ hohen Lebensstandard mit zahlreichen Wahlmöglichkeiten und einem großen Individualismus aufgewachsen ist, wird den Vertretern der Generation Y nachgesagt, sie wären verwöhnt, wären nicht sehr leistungsbereit und hätten hohe Ansprüche. Negative Stereotype zu der jungen Generation hat es allerdings auch schon zu jeder Zeit gegeben, wie ein dementsprechendes Zitat von Sokrates über 400 v. Christus beweist:

Die Jugend liebt heute den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt mehr vor älteren Leuten und diskutiert, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ (Sokrates 470-399)

Doch in Verbindung mit dem stetigen Fachkräftemangel bilden nicht nur die „hohen Ansprüche“  der Generation Y gegenüber dem Arbeitgeber die Herausforderung für die heutigen Organisationen, sondern auch die Problematik, dass sich diese Generation durch eine hohe Wechselbereitschaft auszeichnet und nicht mehr bereit ist, ihre Arbeitsleistung ein Leben lang einem einzigen Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen (Parment, 2013, S.7; Ruthus, 2014, S.3; Fischer, 2017).

Die Notwendigkeit einer generationengerechte Führung ist nicht nur wegen der Generation Y gegeben. Die Kenntnis über die Besonderheiten der anderen in einem Unternehmen tätigen Generationen ist ebenso wichtig. Es gilt eine adaptive Personalentwicklung zu betreiben und u.a. auch unbedingt den Erfahrungsschatz älterer Mitarbeiter aufzugreifen, bevor diese in den Ruhestand treten.

In der heutigen Zeit sind in den Organisationen bis zu fünf Generationen tätig. Auch wenn Erkenntnisse der Generationenforschung nicht auf jeden einzelnen Menschen zutreffen, so handelt es sich doch um Merkmale, die bei der Mehrheit einer Generationengruppe vorzufinden sind (Fischer, 2017, Folie 17). Ein Grund für Unterschiede der Generationen besteht aufgrund der unterschiedlichen Sozialisation der Generationsmitglieder, die wegen dem sich Auseinandersetzen mit einer bestimmten Umwelt verschiedene Wertesysteme erworben haben. Verantwortlich für die Bildung unterschiedlicher Wertsysteme, die natürlich auch das Verhalten beeinflussen, sind u.a. eine andere Erziehung, prägende Ereignisse, Fortschritt und Technik, Musik, Unterhaltung, Politik, Denkweisen, sowie der entsprechende Zeitgeist.

Mitglieder der Wirtschaftswunder- Generation sind in den Jahren 1946 bis 1956 geboren. Sie befinden sich in den letzten Jahren ihres Erwerbslebens und verfügen dementsprechend über einen hohen Erfahrungsschatz. Aufgrund der prägenden Ereignisse in dieser Zeit, z.B. die Auseinandersetzung mit der Rolle der Eltern in der NS-Zeit, ihre eigenen Protestaktionen in den 68er Jahren entwickelte diese Generation postmaterielle Werte und die Einstellung „Arbeiten um zu leben“.

Die Generation der Baby Boomer ist in etwa zwischen 1956 und 1965 geboren. Der Name ist durch den hohen Anstieg der Geburtenrate nach dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen, der durch den sog. Pillenknick beendet wurde. Leistungsorientierung, Beständigkeit und hoher Berufsbezug charakterisieren diese Generation. Sie mussten sich quasi „durch einen Flaschenhals kämpfen, den ihre eigene große Anzahl verursacht hat“ (Fischer, 2017, Folie 13). Aus diesem Grund prägt auch ein Karrieredenken diese Generation, aber auch eine  Kooperationsbereitschaft. Nicht nur ein Fokus auf die Sicherheit, sondern auch  Sozialkompetenz zeichnen Baby Boomer aus. Sie haben gelernt sich durch überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit die Voraussetzungen für einen sicheren Arbeitsplatz zu ebnen und prägten somit den Ausspruch: „Thank god it’s monday“ und die 60 h-Arbeitswoche. Diese Gruppe an Arbeitnehmern verfügt über die geringste Wechselneigung in Bezug auf die Arbeitsstelle und begibt sich zumeist nur dann auf Stellensuche, wenn die Umstände es erforderlich machen (Ruthus, 2014, S.7f.). .

Mitglieder der Generation X sind zwischen 1966 und 1979 geboren. Sie befinden sich aktuell im mittleren Erwerbsalter. Sie sind in ihrem Produktivitätshoch, welches auf Wissen, Erlerntem und Erfahrung basiert und nutzen Stellenwechsel gezielt für Karrieresprünge, die außerhalb der Unternehmen häufig leichter zu bewerkstelligen sind Die Generation X zeichnet sich ebenso durch eine hohe Leistungsbereitschaft aus, da sie auch Zeiten der beruflichen Unsicherheit durch steigende Arbeitslosenzahlen miterleben musste. Diese Generation ist konsumorientiert und hat den Vormarsch moderner Technologien miterlebt. Die Entscheidung für eine eigene Familie wurde oftmals gegen die Verlängerung der Unabhängigkeit eingetauscht, was mittlerweile jedoch wegen eines Gefühls des privaten Nachholbedarfs geändert wurde. Daher verfügen viele Vertreter dieser Generation über klare Vorstellungen hinsichtlich einer ausgewogenen Work- Life- Balance (ebd., S. 8; Fischer, 2017, Folie 14).

Sowohl die Generation X als auch die Generation Y hat ein großes Bedürfnis nach Selbstbestimmung. Die Generation Y hat u.a. aufgrund der digitalen Vernetzung und der Globalisierung interkulturelle Erfahrungen gesammelt und dadurch auch eine Offenheit gegenüber anderen Kulturen entwickelt. Innovation, Freiheit und Vernetzung sind Werte dieser Generation, aber auch ein Wettbewerbsdenken aufgrund der entstandenen beruflichen und persönlichen Unsicherheiten. Die Generation Y hat einen anderen Bezug und Einstellung  zur Arbeit und zum Arbeitgeber entwickelt. Es ist den Digital Natives bewusst geworden, dass zwar alles möglich, aber auch nichts von Dauer ist. Sie möchten arbeiten, um zu leben. Wichtig ist ihnen eine soziale Vernetzung, Kooperation und Transparenz. Die Tugenden „Fleiß und Ehrgeiz“ sind ihnen wichtig, aber sie messen Erfolg nicht nur am Status oder Besitz, sondern eher am Glücklichsein im Leben (Fischer, 2017, Folie 23,24). Kompetenz und Wissen werden auch außerhalb des Unternehmens gesucht: im Internet, im Web-Portal Facebook, im Alumni-Verein oder beim Afterwork. Die Generation Y ist loyal gegenüber sozialen Netzwerken und Alumni-Vereinen, nicht nur gegenüber dem eigenen Unternehmen (Parment, 2013, S.29). U.a. aufgrund der großen Vernetzung ist auch die Wechselbereitschaft des Arbeitgebers bei der Generation Y sehr hoch.

Die Generation Z startet gerade ins Berufsleben. Neben der Grenzenlosigkeit und der sozialen Vernetzung ist den Mitgliedern dieser Generation auch eine persönliche Erfüllung und Freizeit wichtiger als die Karriere und ein hohes Einkommen. In Organisationen wünschen sie sich  Strukturen, die ein freies, flexibles Arbeiten ermöglichen (Fischer, 2017, Folie 33f.).

Es wird deutlich, dass den „jüngeren“ Generationen eine Work-Life-Balance wichtig ist. Die Bereitschaft unzählige Überstunden zu leisten ist nicht so stark gegeben wie bei den älteren Generationen. Auf Parameter wie Arbeitszufriedenheit ist besonders zu achten. Auch das Hinterfragen und Kritik äußern ist für Mitglieder dieser Generation normal. Damit muss eine Führungskraft klarkommen. Dafür hat sie Arbeitnehmer, die bei vorhandener Arbeitszufriedenheit, auch ein entsprechendes Engagement und Kreativität zeigen.

Recruitung:

Beim Recruiting ist für ein Unternehmen zu beachten, dass zunehmend alle Kanäle genutzt werden, um die verschiedenen Generationen zu erreichen. Während die Baby Boomer gut durch Zeitungsannoncen zu rekrutieren sind, können Mitglieder der Generation X, Y und insbesondere Generation Z ausschließlich über das Internet und die Sozialen Netzwerke erreicht werden. Auch die Annahme von Online- Bewerbungen sollte heutzutage in jedem Unternehmen Standard sein. Um im Wettbewerb um die besten Talente heutzutage bestehen zu können, ist es außerdem wichtig, einen systematischen Rekrutierungsansatz zu verfolgen, der einen schnellen und unkomplizierten Bewerbungsprozess sicherstellt. Dauert es guten Kandidaten zu lange, bis sie auf ihre Bewerbung Rückmeldung, eine Einladung zum Interview oder ein Angebot erhalten, orientieren sie sich anderweitig und wechseln zum Wettbewerber. Hier können sich telefonische Interviews für ein erstes Kennenlernen aufgrund enger Zeitrahmen oder weiter Wege von Vorteil erweisen oder gerade auch Interviews via Webcam (z.B. mit Skype oder Google Hangout). Dies wäre für die Generationen Y und Z auch ein Indiz, dass das Unternehmen technologisch modernen Standards entspricht und steigert somit auch die Attraktivität des Unternehmens (Ruthus, 2014, S.28). Die Gestaltung der Stellenangebote und des Karrierebereichs sollte im firmeneigenen Internetauftritt oder auch auf Plattformen wie XING, LinkedIn, Facebook oder YouTube erfolgen. Auch auf den Ruf des Unternehmens muss ein Fokus gelegt werden, da die Generation Y z.B. nach Online Reputationen eines Unternehmens recherchiert, da sie sich nach der Weisheit von Vielen orientiert (Fischer, 2017, Folie 49). Flankiert werden sollte die digitale Kommunikation ebenfalls mit weiteren Employer-Branding-Aktivitäten wie z.B. Schüler-, Praktikanten- und Studentenprogrammen, Kooperationen mit Hochschulen (z. B. auch in Form des dualen oder berufsbegleitenden Studiums) oder Messeauftritten (Parment, 2013, S.80).

Retaining:

Da die Mitglieder der Generation Y eine hohe Wechselbereitschaft des Arbeitgebers auszeichnet, müssen durchdachte Retaining- Maßnahmen durchgeführt werden. Hierzu zählt zum einen das Führungsverhalten, das im nächsten Punkt näher erläutert wird, und ein Arbeits- und Teamklima, in dem sich die Mitarbeiter wohlfühlen. Zum anderen aber auch die Förderung der Attraktivität eines Unternehmens und den Aufbau einer Corporate Identity. Das erhöhte Interesse an Employer Branding und der Aufbau eines attraktiven Unternehmensleitbilds sollte unbedingt ernst genommen und umgesetzt werden, da z.B. bei einem Einstellungsinterview die Generation Y sich eher fragt, ob die Arbeit zu einem passt, und nicht, ob man die Arbeit bekommen kann (Parment, 2013, S.141).

Herausforderung einer generationengerechten Führung:

Um den Erfahrungsschatz der bald ausscheidenden Mitglieder der Wirtschaftswunder- und Baby Boomer Generationen in einer Organisation bewahren zu können, ist ein Aufbau einer Kultur des Miteinander- und Voneinander-Lernens wichtig. Auch sind Rahmenbedingungen und Strukturen zu schaffen, die ein Tandem-Lernen und ein Mentoring ermöglichen (Fischer, 2017, Folie 81).

Das Führungsverhalten sollte zudem flexibel sein und adaptiv nach den verschiedenen Generationen ausgerichtet werden. Die Wirtschaftswunder- Generation erreicht man am besten über eine sinnorientiert-partizipative Führung. Mitglieder dieser Generation haben eine hohe Arbeitsmoral und wünschen sich wertgeschätzt zu werden. Zudem sollte ein Fokus auf die Gesundheitsförderung gelegt werden und eine Anpassung auf die Arbeitsbelastung erfolgen. Baby Boomer sollten entwicklungsorientiert und kooperativ geführt werden. Über regelmäßige Mitarbeiter- und Zielvereinbarungsgespräche sollten kontinuierlich Entwicklungschancen aufgezeigt werden. Da diese Generationengruppe sich zu einem Unternehmen stark verbunden fühlt, also eine eher geringe Wechselbereitschaft aufweist, und durch die Rente mit 67 noch eine Zeit der Organisation zur Verfügung steht, sollten die Kompetenzen dieser Mitarbeiter gut genutzt werden. Da die Vertreter dieser Generation auch über eine ausgereifte Sozialkompetenz verfügen, können sie optimal als Vermittler zwischen den Generationen genutzt werden (Fischer, 2017, Folie 60).

Bei der Generation X ist eine pragmatisch-zielorientierte Führung angebracht. Mitgliedern dieser Generation ist eine Klarheit der Ziele wichtig. Außerdem möchten sie, dass mit ihnen klar kommuniziert wird. Auch eine Vereinbarung von Beruf und Familie sollte durch entsprechende Rahmenbedingungen, z.B. Firmen-Kitas, gegeben sein.

Digitale Medien spielen sowohl für Generation X, aber natürlich insbesondere auch für die Generationen Y und Z eine große Rolle. Der Zugang zum Internet und zu digitalen Medien sollte heutzutage in allen Unternehmen zur Verfügung stehen. Bei Generation Y sollte eine visionsorientierte bzw. eine transformationale Führung umgesetzt werden. Die Innovationsbereitschaft und Flexibilität dieser Generation sollte von einer Organisation unbedingt genutzt werden. Zudem muss eine Führungskraft sich auch kritischen Fragen stellen können, da Mitglieder der Generation Y auch keine bzw. wenig Hemmungen beim kritischen Hinterfragen zeigen. Da es dieser Generation auch wichtig ist, genügend Freizeit im Leben zu haben, müssen flexible Arbeitszeitmodelle geschaffen werden.

Aspekte des ethikorientierten bzw. humanistischen Führungsstils sind für eine generationsgerechte Führung äußerst wichtig. Kein Zweiklassedenken, die Ermöglichung eigenverantwortlichen bzw. selbstbestimmten Arbeitens, sich für den einzelnen Mitarbeiter und auch für sein Privates zu interessieren, sowie durch Fürsorge und Aufmerksamkeit und durch Rückmeldungen und Feedback erreicht man alle Generationen, insbesondere aber auch die jüngste Generation Z, die sich z.B. Chefs wünschen, die wie Eltern sind. Außerdem sind  dieser Generation die Werte wichtig, die Vielfalt der Menschen anzuerkennen und zu respektieren. Dieses wird ebenfalls durch eine humanistische Führung gewährleistet (Fischer, 2013, Folie 33ff.; Welk, 2015, S.35).

 

 

Literaturverzeichnis:

Fischer, Peter (2017). Präsentationen im Modul 6 Personal führen.

Parment, Anders (2013). Die Generation Y. Mitarbeiter der Zukunft motivieren, integrieren,

führen. Wiesbaden: Springer Gabler.

Reuther, Julia (2014). Arbeitgeberattraktivität aus Sicht der Generation Y.

Handlungsempfehlungen für das Human Resources Management. Wiesbaden:

Springer Gabler.

Welk, Svenja (2015). Die Bedeutung von Führung für die Bindung von Mitarbeitern. Ein

Vergleich unterschiedlicher Führungsstile im Kontext der Generation Y. Wiesbaden:

Springer Gabler.

 

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